Zwangsstörungen

Eine Zwangsstörung – Was ist das?

Haben Sie aufdringliche, sich wiederholende Gedanken? Haben Sie das Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren wird, wenn Sie Ihren Gedanken nicht nachgehen? Bestimmen zeitaufwändige Rituale Ihren Alltag? Waschen Sie sich z.B. wesentlich häufiger und gründlicher als andere Menschen? Nehmen Rituale und Gewohnheiten mehr als eine Stunde am Tag in Anspruch? Empfinden Sie Ihre Gedanken und Handlungen als „übertrieben“ und können sie trotzdem nicht unterlassen?

Wenn Sie sich in einer oder in mehreren dieser Aussagen wiederfinden, könnte dies ein Hinweis dafür sein, dass Sie an einer Zwangsstörung leiden. Zwangsstörungen werden in der Regel in zwei Formen unterteilt: Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Zwangsgedanken sind Gedanken oder Bilder, die sich immer wieder ungewollt aufdrängen. Betroffene haben das Gefühl, zwanghaften Gedanken nachgeben zu müssen, z.B. bestimmte Zählrituale durchzuführen, bevor die Haustüre aufgeschlossen werden kann. Zwangshandlungen sind Handlungen, die ausgeführt werden „müssen“, um Unheil oder ein schlimmes Ereignis zu verhindern oder um Kontrolle über Situationen zu gewinnen. Häufige Zwangshandlungen sind intensives und übertrieben häufiges Waschen oder exzessives Kontrollieren, z.B. ob der Herd abgeschaltet oder die Tür richtig abgeschlossen ist. Betroffene kehren 10-, 20-, 50-mal zum Herd oder zur Tür zurück, bevor die innere Unruhe nachlässt.

In manchen Fällen beharren sie bei bestimmten Handlungen, bis die innere Unruhe nachlässt, sie zu erschöpft sind um weiter zu machen oder sie von etwas oder jemandem unterbrochen werden. In den meisten Fällen treten Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemeinsam auf, sie können allerdings auch getrennt voneinander vorkommen. Auch wenn Betroffene sich zu diesen Gedanken und Handlungen genötigt fühlen, wissen sie eigentlich, dass ihre Gedanken und Handlungen „übertrieben oder unsinnig“ sind, können sich aber nicht dagegen wehren.

Wie kommt es dazu?

Bestimmte Personen sind anfälliger für Zwangsstörungen als andere, was jedoch nicht bedeutet, dass jede Person mit einer solchen Anfälligkeit eine Zwangsstörung entwickelt. Oft befinden sich Menschen, die eine Zwangsstörung entwickeln, in schwierigen, psychisch belastenden Lebenssituationen. Solche Lebensumstände können die Entstehung von Zwangserkrankungen auslösen oder begünstigen. Zwänge können auch auf ungelösten Konflikten beruhen. Ein zentrales Motiv kann der Versuch sein, Kontrolle über einen inneren, womöglich unbewussten Konflikt und die daraus folgende Unruhe zu gewinnen. Etwa 2–3% aller Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Zwangsstörung.

Wie verlaufen Zwangsstörungen?

Die meisten Betroffenen mit einer Zwangsstörung warten etwa 7–10 Jahre, bis sie erstmalig eine Behandlung aufsuchen. Dies liegt u.a. daran, dass Zwänge nicht selten schleichend beginnen und die Betroffenen zunehmend stärker beeinträchtigen. In vielen Fällen schwankt die Intensität der Störung, so dass es weniger oder stärker belastende Phasen gibt. Hilfe suchen Patienten häufig erst dann, wenn sie selbst oder ihr Umfeld extrem unter den durch die Zwänge verursachten Beeinträchtigungen im Alltag leiden. Familienangehörige sind meist maßgeblich an der Entscheidung für eine Therapie beteiligt. Häufig kommt es vor, dass die engste Familie die Zwänge des/der Angehörigen ungewollt mittragen. Der Alltag von Zwangspatienten wird meist stark von den Zwängen bestimmt. Dies führt nicht selten zu sozialem Rückzug, da viele Zwänge mit großer Scham besetzt sind. Eine häufige Folgestörung einer Zwangsstörung ist die Depression.

Welche Anlaufstellen gibt es?

Wenn Sie die Vermutung haben, dass Sie an einer Zwangsstörung leiden, sollten Sie professionelle Hilfe aufsuchen. Als erstes kommt für die Behandlung ein Psychotherapeut/eine Psychotherapeutin in Frage. Diese/r kann Ihnen helfen zu lernen, mit den Zwängen umzugehen, sie zu reduzieren oder im besten Falle ganz zu beseitigen. In schweren Fällen kann es sinnvoll sein, zudem eine/n spezialisierte/n Arzt/Ärztin, z.B. eine/n Psychiater/in aufzusuchen. Diese/r kann die psychotherapeutische Behandlung mit angstlösenden Medikamenten ergänzen und unterstützen. Bei besonders starken und verfestigten Formen von Zwangsstörungen kann es auch ratsam sein, zunächst eine stationäre Therapie in einer psychosomatischen oder psychiatrischen Klinik zu machen und die Behandlung anschließend mit einer ambulanten Psychotherapie weiterzuführen.

Wie verläuft eine psychotherapeutische Behandlung?

Am Anfang der psychotherapeutischen Behandlung von Zwängen wird näher betrachtet, welche Bereiche des Alltags durch die Zwänge beeinträchtigt sind. Sie lernen, Ihr Alltagsleben Stück für Stück wieder zu normalisieren und Ihre Zwänge schrittweise zu reduzieren. Hierbei können unterschiedliche Methoden hilfreich sein, wie z.B. die Konfrontation mit Zwängen und Ängsten sowie gezielte Selbstbeobachtung. Es kann außerdem hilfreich sein, die zugrunde liegenden Konflikte herauszuarbeiten und an ihnen zu arbeiten. Die Behandlung von Zwängen kann schwieriger und langwieriger sein als die Behandlung anderer psychischer Störungen. In manchen Fällen haben Patienten nach einer gelungenen Therapie auch „Rückfälle“, bei denen sie wieder in alte Zwänge zurückfallen. Hier ist es wichtig, gelernte Strategien erneut anzuwenden oder bei Bedarf erneut Hilfe aufzusuchen.

© Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung